Elementarmagie und Heilkräfte
aus "Magie, Orakel, Illusionen"
von Tandria Shine aus Aldoran
Elementarmagie ist mittlerweile selten geworden und kommt, soweit wir es wissen, nur bei den Dunai und den Anatca vor. Jeder Anatca beherrscht diese Magie, während sie bei den Dunai nur vereinzelt auftritt. Zwar werden die magischen Fähigkeiten vererbt, aber es kommt vor, dass magisch begabte Eltern Kinder bekommen, die diese Fähigkeiten nicht haben. Manchmal überspringt die Magie auch eine Generation, um dann bei den Enkeln erneut aufzutreten oder aber sie stirbt irgendwann ganz aus in einer Familie. Wenn allerdings beide Elternteile magisch begabt sind, so wird diese Fähigkeit auf alle Fälle auch an die Kinder weitervererbt.
Die Familien der Dunai, in denen die Magie auftritt, waren früher die Stamesfürsten des dunaischen Reiches. Bei vielen von ihnen starb die Magie aus und viele Familien starben selbst aus durch Krankheit oder Krieg.
Die letzten magischen Familien um 1400 n. F. in Palúa waren Gelis, Dendo, Rogan, Ladanir und Tirea. Seit dem letzten paluanischen Krieg gibt es kaum noch dunaische Magier und sie sind alle nur aus Nebenlinien der Fürstenfamilien.
Als Beispiel für die sprunghafte Vererbung der Magie sind hier die letzten Generationen der Familie Tirea aufgeführt (dabei steht "m" für "magisch"):
Bei den Anatca hingegen wird die Magie ohne Ausnahme an jedes Kinder weitervererbt.
Weshalb sich die Vererbung der Magie bei den beiden Völkern so unterschiedlich verhält ist nicht ganz klar. Man sollte hier allerdings bedenken, dass sich alle Beschreibungen der Anatca auf Informationen verschiedener cumeischer Gelehrten stützen und vielleicht nicht alles stimmt, was sie berichten. So könnte die Behauptung, alle Anatca wären magisch begabt, auch nur ein weiterer Mythos sein, der sich um dieses geheimnisvolle Volk rankt.
Was die Anwendung der Magie betrifft, konzentriere ich mich daher auf die Dunai, um nicht erneut auf Mutmaßungen über die Anatca angewiesen zu sein.
"Elementarmagie" - der Name verrät bereits einiges über diese Art der Magie. Es geht im Wesentlichen darum, die Elemente zu beherrschen. Dabei kennen die Dunai fünf Elemente: Erde, Feuer, Luft, Wasser und Geist (wobei Geist gewissermaßen ein "Sonderfall" ist, weshalb ich später extra darauf eingehe). Es gibt dabei drei Grundformen der Magie und zwar Erschaffen, Verändern und Zerstören.
Verändern ist am leichtesten und bedeutet gewöhnlich eine Veränderung innerhalb eines Elements (also etwa den Wind in eine bestimmte Richtung zu lenken). Verwandlungen von einem Element in ein anderes sind sehr schwierig und nur die wenigsten Magier beherrschen das.
Erschaffung bedeutet genau genommen, ein Element aus dem Nichts entstehen zu lassen. Oft wird aber beim Element Luft auch das Herbeirufen von Wind als Erschaffen betrachtet, auch wenn es streng genommen nur die Veränderung von ruhiger zu bewegter Luft ist. Ein typisches Beispiel für reines Erschaffen ist das Entzünden eines Feuers.
Zerstören ist genau das Gegenteil, nämlich das Vernichten eines Elements. Das kann das Austrocknen eines Baches oder auch das Löschen eines Feuers ohne Hilfsmittel sein. Viele Forscher, die sich nur oberflächlich mit Magielehre beschäftigen, behaupten, Zerstören meine vernichtende und gewissermaßen "böse" magische Handlungen, also etwa das Töten eines Menschen mit Hilfe von Magie, aber das ist schlichtweg falsch. Es stimmt zwar, dass zerstörende Magie auch von kundigen Magiern oft mit Argwohn betrachtet und nur sehr sparsam eingesetzt wird, da sie das Auslöschen von Elementen als gefährlich und wider die Natur betrachten, aber grundsätzlich hat zerstörende Magie nichts "Böses" an sich.
Erschaffen und Zerstören sind deutlich schwieriger als Verändern und bedürfen eines sehr geübten Magiers. Da jeder Magier zu einem Element ein besondere Bindung hat, gelingt den meisten Magieren Erschaffen und Zerstören nur bei "ihrem" Element, während sie es bei den anderen nur zur Veränderung bringen.
Ein ganz eigener Fall ist, wie bereits erwähnt, das Element Geist. Gemeint ist damit der Verstand des Menschen oder auch seine Seele - es ist schwierig, dieses Element genau zu definieren. Gedanken und Erinnerungen gehören genauso dazu wie Gefühle. Uns erscheint es eigenartig, das als Element zu betrachten, aber für die Dunai ist das ganz selbstverständlich.
Im Grunde beruht Geistmagie ebenso wie die restliche Elementarmagie auf den drei beschriebenen Grundformen. Das kann dabei ebenso der eigene Geist sein wie der eines anderen Menschen. Erschaffen meint im Wesentlichen, in einem anderen Gefühle und Erinnerungen, die er vorher nicht hatte, entstehen zu lassen und Zerstören das "Löschen" vorhandener Gefühle, Gedanken oder Erinnerungen. Diese beiden Formen sind fast gänzlich auf den Geist anderer beschränkt, während Veränderungen sowohl bei dem eigenen als auch bei einem fremden Geist möglich sind.
Eingriffe in den Geist anderer Menschen sind allerdings außer in Ausnahmefällen strengstens untersagt, weil die Folgen oft verheerend sein können. Die meisten Menschen, in deren Geist eingegriffen wurde, verändern sich auf eine eigenartige Weise, sie werden oft verrückt, leiden unter Halluzinationen oder erscheinen plötzlich wie seelenlose Puppen. Geistmagie war früher eine häufig praktizierte Art der Folter im alten dunaischen Königreich und auch noch in Palúa, bis König Nebor far Gelis es verbot.
Eine recht einfache Art der Geistmagie, die auch häufig praktiziert wird und bei dem anderen normalerweise keine Schäden verursacht, ist das Verbinden der Geister. Dabei nehmen beide Verbundenen das Gleiche wahr, teilen ihre Empfindungen und können auch bestimmte Gefühle oder Gedanken auf den anderen "übertragen". Im Gegensatz zum Erschaffen halten diese aber nur für die Dauer der Verbindung an - sobald diese gelöst wird verschwinden sie wieder und im Geist des anderen entstehen also keine bleibenden Veränderungen.
Wenn die Verbindung zwischen zwei (einigermaßen gleich mächtigen) Magiern zustande kommt, können beide kontrollieren, wie weit der andere in den eigenen Geist eindringen kann und wieviel man von den Gefühlen und Gedanken des anderen annimmt. Ist von den beiden Verbundenen nur einer magisch begabt oder hat einer deutlich größere magische Fähigkeiten, so hat er als einziger die Kontrolle.
Verbindungen zwischen mehr als zwei Menschen sind zwar möglich, aber schwierig und verwirrend. Sie führen meist zu einem Gefühlschaos, das anstrengend zu kontrollieren ist.
Das magische Heilen gehört ebenfalls im weitesten Sinne zur Elementarmagie, auch wenn selbst nichtmagische Dunai oft über gewisse Heilkräfte verfügen.
Für eine Heilung ist das vorher genannte Verbinden der Geister erforderlich, auch wenn das ein wenig verwirrend ist, denn das hat eine Verletzung mit dem Geist eines Menschen zu tun? Das konnte mir bislang auch noch kein Duna erklären.
Tatsache ist, dass ein Duna für eine Heilung eigene "Lebensenergie" aufwenden muss, was das Heilen von schweren Verletzungen oder Erkrankungen also zu einer für ihn sehr anstrengenden und oft auch gefährlichen Angelegenheit macht. Das Heilen einer tödlichen Verwundung bezahlt ein Magier mit dem eigenen Leben.
Selbstheilung ist möglich, aber schwierig, da der Betroffene zusätzliche Energie aufwenden muss, was meist nicht so einfach ist, wenn er durch eine Verletzung oder Krankheit ohnehin geschwächt ist.
Bei den Anatca hingegen erfolgt das Heilen angeblich nicht durch Übertragen eigener Lebenskraft. Sie ziehen die benötigte Energie vielmehr aus den Elementen - wie auch immer das funktionieren soll. ich frage mich, ob das nicht erneut nur eine Erfindung phantasievoller Cumeaner ist. Solange mir diese Behauptung nicht durch einen Anatca (falls es sie denn tatsächlich gibt) bestätigt wird, betrachte ich sie mit Vorsicht (was ich auch meinem geschätzten Kollegen Leron Casia empfehlen würde, der mir in seiner Schrift "Die Anatca - cumeische Fabelwesen oder uralte Hochkultur?" etwas zu leichtgläubig Fakten und Vermutungen zu vermischen scheint).
Ich denke, in meiner Beschreibung ist klar hervorgegangen, dass ein Magier keineswegs unbeschränkte Macht hat. Elementarmagie ist oft schwer zu kontrollieren und es bedarf langer Übung und Erfahrung, um es zu einem wirklich fähigen Magier zu bringen.
Manchmal können aber auch bei weniger mächtigen Magiern gewaltige Kräfte freiwerden und zwar meist hervorgerufen durch starke Emotionen. Damit sind in der Regel Gefühle wie Liebe, Hass, Todesangst oder ähnliche gemeint. Es geschieht nicht selten, dass ein Magier, der sonst nur Verändern kann, durch unbeherrschten Zorn plötzlich zu Zerstörung fähig ist oder zu Erschaffen aus Liebe oder aus einer Notsituation heraus (beispielsweise um sein Leben zu retten). Solche Magie ist meist mächtig, aber unkontrolliert und dadurch auch eine Gefahr. So ist es kein Wunder, dass die Balance zwischen Leidenschaft und Selbstbeherrschung bei Magiern sehr wichtig ist. Das ist ein weiterer Faktor, weshalb sehr mächtige Magier schon immer selten waren, da das Gleichgewicht oft schwer zu finden ist.
All das erklärt auch, weshalb Magie oft so gefürchtet wird, da sie in der Tat leicht außer Kontrolle gerät und dann zu einer Gefahr für die Menschen werden kann. Und das hat bedauerlicherweise zu dem Misstrauen und dem Hass geführt, den viele Bewohner Selegondos den Dunai gegenüber zeigen. Umgekehrt isolierten sich die Dunai deshalb immer mehr, weshalb sie noch stärker als ein geheimnisvolles, gefährliches Volk gesehen wurden. Einen Ausweg aus dieser Zwickmühle kann es nur durch ein vorsichtiges Annähern von beiden Seiten geben. |